FRANK SCHULZ

Theorie und Didaktik der bildenden Kunst

Die hier vorgestellten »Kleinen Symposien« beziehen sich auf ein besonderes Vermittlungskonzept, mit dem der Masterstudiengang Außerschulische Kunstpädagogik der Universität Leipzig 2014 bis 2019  Zielgruppen ansprach, die sich für die Herausforderungen der modernen Kunst interessieren, dabei zugleich auf Verständnisschwierigkeiten stoßen. Im Rahmen eines auf Dialog ausgerichteten Veranstaltungsformats wurden aktuelle Tendenzen in der Gegenwartskunst thematisiert. Konkret eingeladen waren Schülerinnen und Schüler in der Erzieherausbildung an Leipziger Fachschulen, aber auch interessierte Schülerinnen und Schüler Leipziger Oberschulen und Gymnasien. Die Studierenden lieferten mit Präsentationen und diversen Rezeptionsimpulsen exemplarische Beispiele für bestimmte künstlerische Entwicklungen. Es kam darauf an, dass die Studierenden jedes Symposium nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch vorbereiteten, von der Akquise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Programm, Flyer und Plakat bis hin zu Einrichtung, Technik und Catering. Gefördert wurde das Projekt durch die Mehlhorn-Stiftung und die Akademie für Kreativitätspädagogik Leipzig. Ich sehe darin ein Modell, wie im Bereich der Außerschulischen Kunstpädagogik hinsichtlich der bildnerischen Vermittlungsarbeit eine praxiswirksame Lehre stattfinden kann, indem Kunstvermittlung für eine interessierte Öffentlichkeit geprobt wird. Die entsprechenden Angebote verbinden rezeptiv-reflexive Anteile im Rahmen von Präsentationen und Plenumsdiskussionen mit assoziativ-spielerischen Aktivitäten in Workshops, die in Kleingruppen durchgeführt werden. (Gesamtleitung: Frank Schulz, Workshop-Leitung: Ines Seumel)

Grafik: Claudius Hütel

Räume als Kunst zu begreifen, das hat durchaus eine längere Tradition. Sie hängt nicht zuletzt mit der aus der Romantik stammenden Idee von einem Gesamtkunstwerk zusammen, in dem die Grenzen zwischen den Künsten mehr oder weniger ganz verschwinden und das in räumlicher wie zeitlicher Existenz alle Sinne in Anspruch nimmt. Der ≫Hang zum Gesamtkunstwerk≪ – so der Ausstellungsmacher Harald Szeemann – bestimmt aber seit der Klassischen Moderne vor allem zeitgenössisches Kunstschaffen in hohem Maße. Raumkunst ist zu einer der wichtigsten Domänen der bildenden Kunst geworden. Sie ist aus der heutigen Kunst nicht wegzudenken, sie ist zugleich durch vielfältige Grenzüberschreitungen gekennzeichnet. Dabei ist sie nicht mit Innenarchitektur oder Landschaftsarchitektur, mit der mehr oder wenigen kunstvollen, durchdesignten Ausgestaltung von Räumen und Außenanlagen zu verwechseln. Was aber ist sie dann? Innen- und Außenräume sind freilich zwar oft auch mehr oder aufwändig gestaltet, sie beherbergen sogar Kunstwerke, aber sie selbst werden tradierterweise nicht als Kunstwerke begriffen, denn sie haben in der Regel praktische Funktionen, sie erfüllen einen außerkünstlerischen Zweck: Sie dienen dem Wohnen, der Arbeit, der Erholung, dem Schutz, der Aufbewahrung usw. Anders ist es mit Kunsträumen, wie sie in der zeitgenössischen Kunst auftreten: Sie erfüllen keinerlei praktische Funktion, sondern sie funktionieren wie ein Gemälde, eine Zeichnung, ein Plastik oder Skulptur. Sie drücken etwas aus vom Weltverhältnis der Künstlerin oder des Künstlers, sie bringen entsprechende Gefühle und Gedanken zum Ausdruck. Nur eben nicht in Form von bildnerisch gestalteten Flächen oder Köpern, sondern in Form von ganzen Räumen. Voraussetzung dafür ist, dass man akzeptiert, dass der Raum selbst, alle Gegenstände - ob selbst gefertigte, künstliche, gefundene oder gesammelte -, die im Raum sind, dass alles, was im Raum unsere Sinne beansprucht, auch das Unsichtbare, das Hörbare und Spürbare, dass alles, was sich in ihm abspielt, keinem praktischen Zweck mehr dient, sondern einzig und allein mit Bedeutung erfüllt ist, zum Zeichen für die Gefühls- und Gedankenwelt der Künstlerin oder des Künstlers wird und uns in entsprechender Weise ansprechen soll.


Grafik: Agnes Nguyen

Die Auseinandersetzung zum ≫Kleinen Symposium≪, die sich zum zweiten Mal um das Thema ≫Exemplarische Begegnungen mit neuer Kunst – documenta Kassel & La Biennale di Venezia≪ drehte, verband in bewährter Weise rezeptive und reflexive Impulsgebung durch Präsentationen mit einer Reihe von Workshops (Leitung: Ines Seumel). 


Grafik: Stefan Fuchs

Die Veranstaltung widmet sich einem Thema, das für die zeitgenössische Kunst von besonderem Belang ist: die zitierende Auseinandersetzung mit der Kunst selbst, mit ihren Werken, Prozessen und Kontexten. Ausgangspunkt ist ein berühmter Ausspruch des französischen Kunstpsychologen und Kulturpolitikers André Malraux: »Wie ein großer Künstler beschaffen sein müsste, der sich niemals einem Werk der Kunst, sondern nur lebenden Formen gegenüber gesehen hätte, bleibt uns völlig unvorstellbar.« (S. 41) Er weist also darauf hin, dass Kunst offenbar nicht allein aus der Wirklichkeit gespeist wird, sondern immer auch aus der Kunst, die ihr vorausgegangen ist oder um sie herum entsteht. Auch Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart orientieren sich an der Kunst anderer und nicht selten verweisen sie direkt auf diese, indem sie sie zitieren, quasi in ≫bildlicher Rede≪ darauf Bezug nehmen. Es handelt sich um eine Art Re: work, um ein Reagieren auf bereits gestaltete Auseinandersetzungen mit der Wirklichkeit und die Form, in der dies geschieht. Aber auch Gestaltungsfelder, künstlerische Kontexte und Entwicklungslinien werden aufgegriffen, um sich auf der Höhe der Zeit damit auseinandersetzen. Dabei kommt es zu einer fortgesetzten Auffächerung von Möglichkeiten des Zitierens, wo es oft nicht mehr allein um das Bildzitat im engeren Sinne geht, sondern um das Zitieren von Aspekten des gesamten gesellschaftlichen Systems der Kunst.


Grafik: Marie Maier / Lisa Uhl

Besondere Schwierigkeiten in der Kunstvermittlung bereiten immer wieder Werke, die gar nicht materiell als Werk in Erscheinung treten: Werk der Konzept - und Kontextkunst, in denen eine künstlerische Idee oder das gar Umfeld, in dem es zur Entwicklung einer solchen Idee kommen kann, als Werk zu verstehen ist. Dieses bleibt mithin weitgehend unsichtbar, es gibt lediglich einige materielle Verweise darauf. Die Künstlerinnen und Künstler nehmen sich ausdrücklich zurück: Sie wollen nicht diejenigen sein, die auf der Grundlage einer Idee einen künstlerischen Prozess in einem bestimmten Kontext vollziehen, der zu einem finalen Produkt als Werk führt. Sondern sie liefern den Ausgangspunkt und das Umfeld dafür. Und jetzt kommen die Rezipientinnen und Rezipienten ins Spiel: In deren Vorstellung, aber auch unter deren Mitwirkung sollen diese Ideen weiterentwickelt und umgesetzt werden. Wer sich darauf einlässt, der kann ungeahnte, faszinierende Kunsterlebnisse ganz anderer Art gewinnen.


Grafik: Mandy Putz

Dieses ≫Kleine Symposium≪ beschäftigt sich mit dem Aspekt der Interkulturalität in den Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern unserer Gegenwart. Es handelt sich um eine Entdeckungsreise in bisher zu großen Teilen unbekannte Bildwelten, die der Identitätsfindung zwischen den Kulturen oder in neuen kulturellen Kontexten gewidmet sind, die nach den Ursprüngen der eigenen Identität fragen, Heimat und Fremde in vielfältige Beziehung setzen, interkulturelle Potenziale urbaner Räume und globaler Netze erkunden sowie interkulturelle Wanderbewegungen hinterfragen.


Grafik: studienart

Das erste ≫Kleine Symposium≪ des Masterstudienganges Außerschulische Kunstpädagogik am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig bildet den Auftakt für eine Reihe, sich mit den Herausforderungen der modernen Kunst auseinanderzusetzen und entsprechende Vermittlungsschwierigkeiten zu meistern. Zum Auftakt werden exemplarische Beispiele der beiden internationalen Großausstellungen documenta in Kassel und Biennale di Venzia herangezogen.