FRANK SCHULZ

Theorie und Didaktik der bildenden Kunst

Mit dem Menüpunkt ≫Demos≪ sind hier weder Kundgebungen noch Probestücke gemeint. Die Abkürzung steht hier für ≫Demonstrationsräume≪, die ich als besonderes kunstpädagogisches Vermittlungsmedium vorstellen will. Sie bieten die Möglichkeit, die fachdidaktischen Grundmodi der bildnerischen Produktion, Rezeption und Rezeption auf besondere Art und Weise zu verbinden. Platz zur Demonstration dieser Verbindung bieten ganze Räume, Raumecken oder -zonen, aber auch ein Karton oder andere Behältnisse. Es geht dabei nicht um die übliche ≫Ausstellung≪ bildnerischer Werke, das auch, aber hinzu kommen die Ergebnisse rezeptiver und reflexiver Aktivitäten. Das demonstrierte Ganze bietet wiederum vielfältige Anlässe für entsprechende Aktivitäten derjenigen, die ihm begegnen.

El Lissitzky (1890–1941): Kabinett der Abstrakten, Sprengel-Museum Hannover, Rekonstruktion des zwischen Herbst und Februar im heutigen Niedersächsischen Landesmuseums (damals Gemäldegalerie des »Provinzialmuseums«) als eine Art Gesamtkunstwerk errichteten Raums, bei dem die Besucherinnen und Besucher eigene Gestaltungsvarianten schaffen können. Foto: Aline Herling / Michael Herling / Benedikt Werner, Sprengel Museum Hannover

In der zeitgenössischen Kunst werden Räume selbst zu Kunstwerken und bringen – wie ein Gemälde oder eine Grafik – das Weltverhältnis ihres Schöpfers zum Ausdruck. Seit den späten 1950er-Jahren sind es sogenannte Environments – dreidimensionale Kunstwerke – die ganze Einrichtungen umfassen. Später setzt sich für Raumkunstwerke zunehmend der Begriff Installation durch, wobei die Betonung darauf liegt, dass die Künstlerinnen und Künstler nicht nur eigene »Kunsträume« schaffen, sondern mit künstlerischen Mitteln auch auf vorhandene Räume reagieren. Überblickt man diesbezüglich die installativen Formen der modernen Kunst, so zeigt sich schnell, dass diese höchst differenziert in Erscheinung treten. Es ist ein Verdienst des griechischen Kurators und Kunstwissenschaftlers Sotirios Bahtsetzis, die Spezifik und Geschichte der Installationskunst in ihren differenzierten Erscheinungsformen dargestellt zu haben (Bahtsetzis 2006). Dabei hebt er neben vielen anderen Formen auch den Demonstrationsraum hervor, der in der bisherigen Rezeptionsgeschichte in seiner Eigenart nur selten Beachtung fand. Bahtsetzis bezieht sich hier auf den russischen konstruktivistischen Künstler El Lissitzky, der als Vater einer »demonstrativen« Raumkunst gelten kann. Lissitzky entwickelt sie im Zusammenhang mit der Präsentation seiner Proun genannten und aus abstrakten Form- und Farbelementen bestehenden Gemälde (Proun = Wortschöpfung aus abgekürzten Wörtern und übersetzbar mit »Für die Bejahung neuer Formen in der Kunst« (vgl. Lissitzky-Küppers 1976, S. 348 ff.).

Demonstrationsraum zur Farbe Schwarz, 2008, Gruppenarbeit von Studierenden des Instituts für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

Am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig haben Demonstrationsräume im Rahmen anschaulich vermittelter Kunsttheorie – z. B.­ erfahr- und erlebbar gemachte Aspekte der künstlerischen Produktion wie Darstellung, Komposition, Proportion und Bewegung – ebenso eine Tradition wie in Verbindung mit konzeptueller und kontextueller künstlerischer Praxis.  So konzipierten und gestalteten Studierende des Masterstudienganges für außerschulische Kunstpädagogik des Institutes für Kunstpädagogik in Interaktion mit Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 8 bis 11 des BIP Kreativitätsgymnasiums Leipzig einen komplexen Demonstrationsraum zur Farbe Schwarz. Eigene künstlerische Beiträge (Druckgrafik, Zeichnung) von Studierenden sowie von Schülerinnen und Schülern verbanden sich mit einer Vielzahl von gemeinsam gesammelten Objekten, die Schwarz in unterschiedlichster Symbolik, Materialität und Funktionalität vor Augen führten. Reproduktionen von Kunstwerken mit thematischen, inhaltlichen oder gestalterischen Bezügen zur Farbe Schwarz forderten Begegnungen heraus; in spielerisch-assoziativer Art und Weise ließen sich Zugänge eröffnen. Eine entsprechende mobile Bibliothek stand für die Beschaffung von Hintergrundwissen bereit. Mehrere »Mitmach-Stationen« luden ein, selbst Wirkungen der Farbe Schwarz zu erkunden. Auch naturwissenschaftliche Experimente und Untersuchungen, z. B.­ zur Herstellung und Analyse von Farbstoffen, waren möglich.

Plakat: Steffen Wachter

Am ≫Barbara-Projekt≪ waren Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 und 6 sowie 10 bis 12 des BIP Kreativitätsgymnasiums Leipzig beteiligt, die unter Leitung von Manja Teich und Steffen Wachter gearbeitet haben. Alle Klassenstufen haben nach einer übergreifenden Einführung gemeinsam die Arbeit aufgenommen. Das Ziel bestand darin, die Legende von der Heiligen Barbara in ihrer kunstgeschichtlichen Verankerung und ihrem Wirken bis heute zum Gegenstand des Kunstunterrichts zu machen und eine bildnerisch-praktische, rezeptive sowie reflexiv-recherchierende Auseinandersetzung anzuregen. Die Ergebnisse sollten in einem Demonstrationsraum zusammengeführt werden, der nach Fertigstellung für die interaktive Arbeit mit den beteiligten und weiteren Schülerinnen und Schülern nutzbar ist.

PDF – Frank Schulz / Manja Teich / Steffen Wachter (2020) ≫Barbara-Projekt≪